INTERVIEW (Dem Break Out-Lockdown entrissen)
CRYPTEX
Es war einmal…
„In jedem Anfang steckt ein Zauber“, hat Herrmann Hesse einmal geschrieben. Das traf auch für Cryptex zu, als sie vor rund 10 Jahren ihr Debütalbum veröffentlichten. Damals. Und heute? Der anfängliche Zauber scheint ein Stück weit der Realität von Plattenverkäufen und Klicks gewichen zu sein, zwangsweise gewissermaßen. Den Sinn für Besonderes haben sie sich dennoch behalten, und eine Antwort ist über die Jahre gleichgeblieben, wie Bandkopf Simon Moskon ausführt.
Gemäß der Presse-Info zu eurer neuen Platte ist euer Band-Motto „Die Liebe ist die Antwort“. Das klingt fast christlich. Spiegelt sich das in euren Texten wider?
„Aber es stimmt ja auch: Liebe ist die Antwort auf sehr viele Dinge im Leben. Ob das jetzt unbedingt auf dieses Album trifft, weiß ich nicht. Liebe ist gewissermaßen konfessionslos. Ich glaube, keiner von uns hat irgendwas mit Religion am Hut, obwohl wir durchaus gläubige Menschen sind. Glaube findet ja fernab von diesen Clustern der Religiosität statt, meiner Meinung nach.“
Der Titel des Longplayers lautet: „Once Upon A Time“, „Es war einmal…“. Sie kam ausgerechnet am 8. Mai heraus, dem Tag des Kriegsendes, der Befreiung Europas von der Nazi-Diktatur in Deutschland. Habt ihr diesen Termin bewusst gewählt oder kam das eher zufällig?
„Das haben wir schon bewusst gewählt. Es hatte aber kontextuell nichts mit der Befreiung Europas durch die Alliierten zu tun. Es ist halt der Tag der Befreiung. Bei Cryptex ist alles sehr kryptisch, bedeutungsgeschwängert. Genauso, wie es einen Grund hatte, warum das Video zu ‚Bloodmoon‘ am Valentinstag, oder ‚Haunted‘ am Freitag, den 13. veröffentlicht wurde. Wir haben das mit einem Augenzwinkern gemacht. Du darfst dem auch nicht zu viel reinmessen.“
Gibt es denn ein allgemeines Thema auf dem neuen Werk?
„Das gesamte Album ist im Endeffekt autobiografisch. Es betrifft eine Zeit zwischen 2014 bis zur Geburt meiner Tochter 2017. Alle Vorkommnisse in meinem Leben in dieser Zeit werden dort behandelt. Wir führen alle ein sehr turbulentes Leben, vor allem ich [lacht]. Das kann auf der einen Seite mental und seelisch auszerren, ist aber zugleich auch ein Nährboden für jede Form von Kreativität. Man muss da gar nicht so viele Texte lesen – das ist manchmal klarer als man glaubt.“
Beim letzten Werk wart ihr noch zu viert, auf dem Bandinfo-Link eurer Webseite wird noch von vier Bandmitgliedern gesprochen, gezeigt werden auf dem dazugehörigen Bild aber nur drei. Warum ist euer früherer Schlagzeuger Simon Schröder nicht mehr dabei?
„Simon ist der Einzige von uns, der sein Geld ausschließlich mit Musik verdient. Wir hatten alle zusammen die Entscheidung getroffen, getrennte Wege zu gehen, auch damit er sich voll auf seine Arbeit konzentrieren konnte, und wir, als relativ kleine Band ihn da nicht einengen wollten. Simon war aber bis zuletzt sehr loyal uns gegenüber, hat alles, was in seiner Macht steht gemacht, um uns zu supporten, hat die Platte mit eingespielt. Ihn verbindet immer noch viel mit der Band, weil er ja auch schon länger dabei ist. Aber er ist eben kein offizielles Bandmitglied mehr.“
Was habt ihr es den jetzt geplant mit dem nun vakanten Posten am Schlagzeug?
„Wir haben dann mehrere Schlagzeuger getestet, sowohl live als auch für die Vorproduktion, haben aber schnell gemerkt, dass die ganze Dynamik und Bandpsyche besser funktionierten, wenn wir zu nur dritt sind. Wir haben so einen Pool von Schlagzeugern, auf die wir, je nach Verfügbarkeit zurückgreifen könnten. Wir wollten uns einfach nicht limitieren lassen, nur weil wir keinen Drummer mehr haben.“
Ihr habt auch als Trio angefangen. Genau genommen bist du das einzige verbliebene Gründungsmitglied.
„Das ist richtig, ja. Aber es kommt ja in jeder Band vor, dass sich die Konstellationen verändern. Was wir jetzt in den letzten Jahren mitgemacht habet haben, also erst als Trio begonnen, ab 2014 dann zu viert, und ab 2018 wieder als Trio – das sind ja Entwicklungen, an denen viele Gruppen zerbrechen – ein Klassiker gewissermaßen. Ich war einfach immer verrückt genug, weiter zu machen. Und sowohl Marc Andrejkovits [Anm.d.Verf.: der Bassist] als auch André Jean Henri Mertens [Anm.d.Verf.: der Gitarrist], die seit August 2014 dabei sind prägen die Band und ihre Ästhetik maßgeblich ebenso.“
Vor dem offiziellen Erscheinungsdatum sind bereits drei Videos erschienen. Ist es für euch eine besondere Herausforderung, für möglichst viele Klicks im Internet zu ergattern, gleichzeitig aber auch das neue Album zu verkaufen? Es scheint zuweilen, dass heutzutage ganze Platten weniger gefragt sind, als einzelne Stücke.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Klickzahlen sind wie Währungen. Viele Leute haben heutzutage eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein 12-jähriger. Eine hohe Klickzahl scheint bei manchen gleichgesetzt zu sein mit der Information, dass es ja gut sein muss, wenn da so viele Leute bereits geklickt haben. Da steckt ganz viel Psychologie dahinter, und viele Plattenfirmen bezahlen Dienstleister dafür, um sich irgendwo einzukaufen. Bei uns ist das aber nicht so! Deswegen interessiert uns das schon, dass wir besonders mit ‚Bloodmoon‘ mit, für unsere Verhältnisse relativ hohen Klickzahlen, innerhalb kürzester Zeit einem größeren Publikum unsere Musik vorstellen können, auch wenn das, was du als Band ausgezahlt bekommst, nicht wirklich viel ist. Ich glaube aber auch, dass Cryptex da zweigleisig fahren können, weil wir Leute ansprechen, die auch Bock darauf haben, die ganze CD zu kaufen und vielleicht ein Shirt.“
Neben den Videos zum neuen Album kann man unter anderem auch einen Clip mit einer Cover-Version von „Eleanor Rigby“ von den Beatles ansehen, mit Rabea Bollmann am Cello. Das hört sich sehr schön an. Wie kam es denn dazu?
„Das war so ein One-Take-Ding im Studio. Wir wollten eine Hommage an die Beatles machen, weil wir alle Fans sind. Und es ist fast sowas wie der heilige Gral, sich an so ein Stück von ihnen zu wagen. Wir haben versucht, das ein bisschen in ein eigenes Gewand zu stecken.“
Text: Sven Meyer
Line-up:
Simon Moskon – Vocals, Keyboards
André Jean Henri Mertens – Guitar
Marc Andrejkovits – Bass
Aktuelles Album
Once Upon A Time (2020)