Unser erneutes Treffen in einem schönen und zünftigen Biergarten mit viel Guinness mit Dir und Deinem Partner Carsten Sauter, wie wir es vorgesehen haben, hat ja leider nicht stattfinden können. Zum einen wegen dem Break Out-Lockdown aufgrund der schwerwiegenden Krankheit von unserem Bossi, zudem darf man Corona ebenfalls nicht vergessen. Ihr wart aber natürlich trotzdem fleißig, wie man ja auf „A Test Of Shadows“ hören kann. Nach einem Jahr mit einem neuen Album zu glänzen, da werden ja bei dem Tempo Erinnerungen an die glorreichen Siebziger wach!
Aber bleiben wir mal bei Corona! Da geht es im wichtigen Live-Sektor allen Bands bekanntlich schlecht, auch der Auftritt von euch bei uns im legendären 7er Club im April wurde bedauerlicherweise gecancelt. Mich würde es aber mal interessieren, wie sich diese Pandemie generell auf die ganz kleinen Bands auswirkt. Und da bist Du natürlich der perfekte Ansprechpartner, weil ihr ja kurz vor dem 2. Lockdown Light veröffentlicht habt, der sich wahrscheinlich (sogar mit Verschärfung) noch lange ziehen wird, zumindest meiner Meinung nach. Der Live-Sektor ist ja bekannt, aber nach zwei Monaten kannst Du mir bestimmt mal ein ehrliches Statement abgeben, ob es auch Nachteile im Vergleich zu eurem Debüt gab, wenn man Vermarktung und Verkaufszahlen mal betrachtet. Auch gehe ich mal davon aus, dass bedingt durch diese Krise einigen zudem die Finanzkraft fehlt, sich mit Newcomern überhaupt auseinanderzusetzen, wenn sie von Magazinen nicht regelrecht in den Himmel gehypt werden. Aber immerhin fielen die Reaktionen wesentlich besser aus als beim Debüt, zumindest ein Fortschritt in die richtige Richtung! Wie schwer war es trotzdem für euch … oder auch für Dich persönlich beim Job als Sozialarbeiter und privat?
„Hi Chris! Ja, shit happens, wie man so schön sagt. eigentlich sollten wir gerade live abgehen, das neue Album promoten und viel Spaß mit all den coolen Menschen der Metal-Szene und Freunden zugleich haben. Doch, wie du ja richtig sagst, wir sind noch mitten in der ganzen Covid-Geschichte gefangen, und es wird auch meiner Meinung nach noch einiges an Zeit vergehen, bis wieder so etwas Ähnliches wie ‚Normalität‘ eintreten wird. so ‚ganz normal‘ wie früher wird es glaube ich eh nicht mehr. Leider. Nun ja, was soll ich sagen? Begeisterung sieht anders aus. Selbst unser nächster Video-Dreh fiel jetzt den Bestimmungen zum Opfer. Proben ist auch Essig. da musst du schon Sitzfleisch haben, guter Hoffnung und nicht allzu depressiv veranlagt sein. Wir machen mit Reternity das Beste draus. witzige, süffige Video-Konferenzen zu fünft, Scheiße labern und Austauschen in unserer WhatsApp-Gruppe und Zeugs bei Facebook und Instagram posten, damit uns die Leute nicht vergessen. Stimmt, die Reviews und Reaktionen zu ‚Test Of Shadows‘ fallen super aus, ein deutliches Zeichen, dass wir vieles richtig gemacht haben und uns sowohl Kritik als auch Lob zur letzten CD zu Herzen genommen haben, hehehe. Mir gefällt unser neues Werk übrigens auch besser, hahaha. Schade, dass wir das Ding nicht live präsentieren können. Zum Thema ‚Absatz‘ … das ist witzig … gerade online geht das Ding echt weg. Wir sind total positiv überrascht! Wir haben schon im ersten Monat nach Release die Zahlen der kompletten Verkäufe von ‚Facing The Demon‘ getoppt. womit wir gar nicht gerechnet haben. Oder doch?! Hahaha! Jedenfalls freut uns das extrem! Die Leute BRAUCHEN Musik, und ich glaube, dass das Fehlen von Live-Shows und das eingeschränkte Einkaufen vor Ort gerade den Online-Handel beflügelt. Geht mir ja selbst so, dann bestellt man halt die eine oder andere Scheibe mehr über Amazon, iTunes oder bei Nuclear Blast. Jedenfalls bricht der Markt nicht komplett zusammen. Gottseidank! Beruflich und auch familiär … was soll ich sagen. Nicht gerade die tollste, leichteste und fröhlichste Zeit … so geht es wohl uns allen so. Arschbacken zusammenkneifen und durch heißt wohl die Devise.“
Bereits im Vorfeld – bevor ich was zu hören bekam – hast Du schon vor Begeisterung über „A Test Of Shadows“ geschwelgt, so im Stil, dass es dein bestes Album bislang ist. Irgendwie verständlich, aber da bin ich leider etwas anderer Meinung. Da hat mir doch deine Vergangenheit ein bisschen mehr Spaß bereitet, vielleicht auch weil ich speziell bei dir den melodischen Aspekt mehr schätze. Egal, ich halte euren neuen Streich dennoch für gelungen; er unterscheidet sich auch um feine Nuancen vom Debüt, speziell was die Melodieführung angeht, aber nicht so krass, wie Du es siehst. Dies ist zumindest meine Meinung. Aber da kannst du mir gern kontern! Was mich zudem wundert, ist die Tatsache, dass Du als absolut lebensbejahender Typ, wie ich dich ja kenne, mit eher düsteren Lyrics glänzt. Könnte auch daran liegen, dass man in melancholischen Momenten vielleicht etwas kreativer ist, wer weiß das schon?
Da lacht sich der Gute erst mal einen ab. „Gottseidank lässt sich über Musik NICHT streiten, hahaha. Und ich steh da ohne ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ dazu. Die ‚Test‘ ist meine geilste Platte! Die Einzige, mit der ich wirklich zufrieden bin, so von den Texten und dem Gesang her. Also sehr auf mich bezogen, so muss man auch die Aussage verstehen. Stolz bin mich auf all meine Platten und Songs, bei denen ich singen durfte! Bei ‚Test‘ war das textliche Konzept einfach total ehrlich, down to earth und eine reine Reflexion der Dinge, die ich gesehen und erlebt habe. Mein ‚ehrlichstes‘ Album also. Ob das nun ‚düsterer‘ ist?! Ich weiß nicht, Chris. Es ist einfach von der Seele geschrieben. Dazu bin ich ja nicht unbedingt der ‚Hard Rocker‘ …, sondern kam ja schon immer vom Heavy, Prog und obskuren 70er Kram her, hahaha. Ist also rein vom persönlichen Geschmack eher so meine Kiste als vielleicht die eine oder andere Scheibe aus dem Backkatalog, hahaha. Aber wie gesagt: Musik hört man immer, IMMER rein subjektiv. Und das ist auch gut so. Jedem, was ihr/ihm gefällt. Vernünftige und gesunde Einstellung, oder?! Und übrigens: Carsten und ich werkeln grad schon am Nachfolger rum … was soll man auch sonst tun … und da wir null Bock auf Wiederholungen haben, wird das Teil wohl doch um einiges melodischer ausfallen. Von daher: Alles shiny!“
Ich als Jahrgang ‚62 würde euch als waschechte Metal-Combo einstufen, für sehr späte Jahrgänge könnte aber diese Kategorisierung ein Problem werden. Ihr vermengt ein bisschen Thrash, Speed und lupenreinen Metal sogar noch mit melodiösen Aspekten! Ein Frevel für die „Reinhaltskultur“! Habt ihr da etwa schon negative Erfahrungen sammeln können? Seit ein paar Jahren ist es ja total angesagt, wieder in richtigen Schubladen zu denken. Nur „true“, „epic“, „doom“, „black“, „death“, „sludge“ … oder was weiß der Geier! Intoleranz pur ist angesagt. Sieht man auch verstärkt bei sehr vielen Statements bei erfolgreichen Acts wie Sabaton, Powerwolf, Battle Beast, etc. … die nicht „true“ sein sollen, selbst Metallica werden wegen „Nothing Else Matters“ noch verachtet. Finde das richtig ätzend momentan! Erinnere mich zu gern an den „Freigeist“ der 70er Jahre oder auch Anfang der 80er, wo das gleiche Publikum bei Joan Baez, Bob Dylan, Tangerine Dream, Eloy, AC/DC, Black Sabbath, Motörhead. gemeinsam gefeiert hat Heute irgendwie undenkbar! Was ist da denn komplett schief gelaufen in der heutigen Zeit?
Und – das darf nicht fehlen – wie schaut es mit einem neuen Schmöker als Autor bei dir denn aus?
„Gute Frage! Ich bin da ganz bei dir, so als Jahrgang ‚72, hahaha! Es ist traurig, dass man da scheinbar wieder alles enger sieht und auch stoisch ablehnt, was nicht in die kleine Lade passt. Ich hatte da mal ein ziemlich lustiges Gespräch mit zwei Jungs, beide in den 90ern geboren und mit schicken Kutten, kultig bestickt, die mir glauben machen wollten, so richtig missionarisch verklärt, dass alle Metal-Platten nach 1986 eh scheiße waren, dass nur die Debüt-Alben der relevanten Bands die Besten sind und dass nur analog taugt und überhaupt ‚trve, trve, trve, blaaa blaaa, muahahahaha! Fand das ziemlich komisch, ehrlich gesagt. Da ich grundsätzlich NICHT über Musikgeschmack diskutiere, lass ich den Boys ihre kleine, enge Edelstahlschublade. Aber ich finde es halt schade, da ihnen Berge von geilen Scheiben verwehrt bleiben. Na ja, selbst schuld, hahaha! Aber ist schon lustig, solche Diskussionen hatten wir in meinen Jugendjahren echt nicht. Da war es Wurst, ob du Metallica, Motörhead, Slayer, AC/DC, Led Zeppelin oder Queen gehört hast. Sogar Bon Jovi, Kiss usw. Und Düstermucke wie Sisters Of Mercy oder The Mission gehörte auch dazu. Alles war Rock. Punkt. Ich fand das wesentlich einfacher, ehrlich gesagt. Es gab eben nur ‚gefällt mir‘ oder ‚gefällt mir nicht‘, ohne doofe Stilbeschränkungen. Ich erinnere mich dunkel daran, dass ich Maidens ‚Seventh Son‘ zum Release und ne alte Bowie – müsste ‚Ziggy Stardust‘ gewesen sein – im Plattenladen meines Vertrauens gekauft habe. Und auf Tipp des Verkäufers gleich eine Kreator und A-Ha zur Seite packen lassen. Ja, so war das damals, hahaha. Ich mag heute immer noch das Zeugs von damals, wenn zum Teil auch eher aus nostalgischen Gründen. Aber ich entdecke noch immer jeden fucking Tag neue Mucke, neue tolle Bands und neue Inspirationen. Ob das jetzt Djent, Death, New Artrock, Metal, Electro oder Pop ist, das ist mir so etwas von schrottegal. Music is everything! Free your mind! Neuer Schmöker? Frag nochmal in einem halben Jahr, Bruder, hahaha. Jetzt erst einmal im Vollmarsch die dritte Reternity, dann sehn wir weiter! ROOOCK ON!“
Text: Chris Glaub