Helloween

 United We Stand!!!

 Die Helloween-Reunion als „Pumpkins United“ hat überrascht und lief sensationell. Für alle, die so wahnsinnig waren, sich das entgehen zu lassen, gibt es Anfang Oktober die Möglichkeit, dieses Spektakel ins heimische Wohnzimmer zu holen. Weitere Aktivitäten sind bei den Jungs schon in Planung. Bei der Einleitung fasse ich mich diesmal kurz, damit ihr mehr Statements von Michael Kiske selbst bekommt, denn unsere schöne Plauderei hat satte 100 Minuten gedauert. 

Ich habe selbst zwar mit einer Reunion von Helloween mit dem Line-up der „Keeper“-Scheiben gerechnet, Ingo natürlich leider ausgenommen, aber was ihr mit „Pumpkins United“ dann veranstaltet habt, das hat mich echt umgehauen. Respekt!

„Viele wissen das wahrscheinlich nicht, aber ich bin ja derjenige gewesen, der grünes Licht gegeben hat. Jahrelang wollte ich davon nichts hören. Ich weiß nicht, ob du die Geschichte kennst, aber ich kann sie mal kurz anreißen. 2012 bin ich bei einem Avantasia-Festival in Weiki einfach reingelaufen. zuvor habe ich in Interviews immer gesagt: ‘Vergiss das mal, interessiert mich nicht!’, aber die ersten zwei Sätze, die ich mit Weiki gewechselt habe, werde ich nie vergessen. Er meinte nämlich: ‘Was habe ich getan, dass du mir nicht verzeihen kannst?’ Da dachte ich ‘Wow!’ Da entwaffnet er sofort alles, was mit Groll sein könnte. Und da merkte ich, dass ich gar keinen mehr hegte, und antwortete: ‘Weißt du was, ich habe dir schon vor Jahren verziehen.’ Was auch innerlich schon längst passiert ist. Ich hatte mit ihm ein schönes Gespräch, er war auch extrem lieb und auf Kuschelkurs, somit war das der Anfang von allem.“

 Mit dem Alter wird man halt auch reifer und ein bisschen weiser.

„Genau“, bestätigt Michi, „es gingen einfach über 20 Jahre ins Land. Ich war damals Anfang 20, und wenn du mit fast 50 immer noch nicht drüber weg bist ... Ich habe auch viel geistig gearbeitet, wo man zwangsweise wächst, in moralischer Hinsicht, was mit Sicherheit dazu beigetragen hat. Dann gingen zwei, drei Jahre ins Land, und irgendwann sagte Kai backstage im Dressing-Room bei der kurzen Unisonic-Tour damals in Spanien: ‘Ach Michi, irgendwann müssen wir unbedingt noch was mit Helloween machen. Das wäre doch dämlich, wenn nicht.’ Da habe ich nur geantwortet: ‘Ach, weißte was Kai, ich bin offen!’ Und da war auch Kosta, unser Drummer, dabei ... und dem seine Ohren wurden groß! ‘Was glaubst du, was passieren wird, wenn ich das im Büro erzähle!’ 

Kann ich mir lebhaft vorstellen, denn Kosta arbeitet in erster Linie für Bottom Row, das Management in Karlsruhe, bei dem Jan Bayati Cheffe ist und sogar nicht davor zurückgeschreckt hat, einen Tunichtgut namens Krofti in sein Team zu integrieren. Und natürlich ist man dort für Helloween verantwortlich. Prompt wurde ein Treffen engagiert, was zwar „gut, aber etwas verkrampft“ abgelaufen ist, aber „richtig locker wurde es spätestens im Proberaum, wo wir anfingen zu spielen. Da hatte man schon ein gutes Gefühl. Auf der Tour lief es ja auch super, das hätte ich mir so nie im Traum vorgestellt.“ 

Geht mir genauso, aber es hätte ja auch sein können, dass Andi und Sascha einen feuchten Händedruck und ein paar warme Worte zum Abschied bekommen, hat man bei großen Bands wie Maiden, Priest oder Sabbath alles schon erlebt!

„Zum Glück nicht! Genau so einen Scheiß wollen wir ja nicht mehr! Ich habe zu Beginn ja auch gedacht, wir würden das alte Line-up zusammenbringen und die ‘Keeper’-Alben spielen. Da meinte Jan, eine zweite Helloween-Band wäre eine bescheuerte Idee, da sie in Konkurrenz zu der anderen steht. Natürlich ist das vollkommener Blödsinn. Wenn, dann alle zusammen. Das ist doch auch viel geiler! Aber vorher habe ich das so gesehen wie du wohl auch.“ 

Natürlich wurde gemunkelt, dies könnte alles nur aus finanziellen Gründen vonstattengehen.

„Die spielen beim Management immer eine große Rolle. Auch Musiker müssen Geld verdienen. Klar. Ich hätte das auch eher machen können, denn die Helloween-Jungs haben ja so etwas viel früher signalisiert. Ich habe nichts dagegen, Geld zu verdienen, was ja auch wichtig ist. Aber ich könnte das nie machen nur wegen der Kohle. Deswegen haben wir auch nur Verträge für eine Tour gemacht. So mal gucken, was überhaupt passiert. Hätte es Streitereien gegeben, wäre ich professionell gewesen, dies zu Ende zu machen. Aber nicht weiter! Da würde ich bescheuert werden. Im Nachhinein, da alle begeistert waren, haben wir halt neue Sachen aufgesetzt. Das Management hat natürlich finanzielle Interessen, dass sie große idealistische und künstlerische Interessen haben, bezweifle ich. Bei Musikern ist das anders. Andi und Weiki, das sind Typen, die so etwas nicht machen würden, wenn sie es nicht wollen. Mache ich auch so. Mir ging es ja auch vorher gut. Ich war zwar nie reich, aber ich kam immer zurecht. Somit war das kein Problem. Und Unisonic lief auch nicht schlecht.“

 Oder dein Engagement bei Avantasia!

„Das war auch sehr geil! Ich war durchaus beschäftigt, so dass es aus solchen Gründen nicht hätte passieren müssen. Die Zeit war einfach reif dafür, und ich bin echt froh darüber, dass ich das mache. Das fühlt sich total richtig an. Und es ist so heilsam, wenn du so lang verschleppte und verletzte Gefühle ablegen kannst.“

 Hätte auch sein können, dass nur mal kurz die Fans abgezockt werden ... aber nein! Ihr habt eine dreieinhalbstündige Show auf die Beine gestellt, die der Wahnsinn ist. Und man hat echt gesehen, was ihr für einen Spaß ihr an der Sache hattet!

„Das kann man auch nicht faken! Es funktionierte, es war fantastisch! Gerade Andi mag ich wahnsinnig gern. Ich kannte ihn ja gar nicht, habe mit ihm vorher nie gesprochen. Wir waren immer so stille Rivalen, weil er damals sozusagen meinen Job übernommen hatte. Er wusste nicht, was er zu erwarten hat, genauso wie ich. Ich komme mit jedem dort klar, aber ganz besonders mit Andi. Wir treffen uns manchmal auch privat, weil es super funktioniert.“

 Mir ist zu Ohren gekommen, ihr schreibt fleißig an neuem Material ... Erste Informationen bitte darüber!

„Wir sind dabei!“ bestätigt Meister Kiske. „Was dabei rauskommt, kann ich dir nicht sagen. Das ist wieder so ein ähnliches Abenteuer wie die Tour. Der Andi hat mal eben gerade sieben geile Songs hingeschmettert, bei denen ich gesagt habe: ‘Gibt’s nicht!’ Der schreibt einen Knaller nach dem anderen. Der hat es einfach drauf! Er ist nicht nur Sänger, sondern auch ein fantastischer Songschreiber. Weiki und Kai haben Sachen geschrieben, ich habe zwei Songs von Sascha demomäßig eingesungen, Markus hat auch Material. In den nächsten Tagen fahre ich nach Berlin und treffe mich mit Sascha, weil ich grobe Ideen habe. Ich bin besser, wenn ich mich mit jemanden zusammentue. Er selber möchte das auch gerne. Es wird massig Material da sein.“

 Von der Planung her soll das Teil im nächsten März zumindest eingespielt sein. Die Erwartungen sind bei euch natürlich gigantisch! Da erwartet wohl jeder zumindest die Qualität der einstigen „Keeper“-Alben!

„Das ist nicht so einfach!“, kontert Michi sofort! „Bei ‘Keeper’ muss man sich im Klaren sein, dass es die frischeste Band war. Und das es auch die Zeit war! Es wird schon anders, wir sind ja auch anders drauf, aber ich hoffe, dass wir etwas von dem Spirit haben. Aber wir werden nach uns klingen, das Handwerk ist ja da, und die Jungs wissen auch, was sie tun. Es wird ein Album, was die gesamte Geschichte repräsentiert, vermute ich mal.“ 

Ich erinnere mich noch an unser erstes Interview zu „Chameleon“ vor 26 Jahren, als du bereits sehr philosophisch unterwegs warst ...

„Bin ich immer noch!“, unterbricht mich der Gute sofort!

 Später hast du dich dann auch gegen den Metal gewendet, was kontroverse Reaktionen ausgelöst hat. Wie schaut das denn heute aus?

„Es war primär die satanistische Scheiße, das sehe ich heute immer noch so. Aber es ist schon eine vielschichtige Szene. Da spielte auch viel mit rein. Ich war enttäuscht, habe schlechte Erfahrungen über Jahre gesammelt und auch die hässliche Seite der Szene kennen gelernt.“

 Inwiefern?

„Diese Intoleranz und Kunstfeindlichkeit“, erläutert er das näher. „Du machst eine Platte, und da wird immer nur geschaut: ‘Klingt das wie Helloween?’ Ich kann das heute ein Stück nachvollziehen, dass viele so denken. Würde auch heute nicht darüber sauer werden, aber damals empfand ich das halt als unfair, weil ich nie versucht habe, Helloween zu sein. Ich habe einfach Musik gemacht. Klar, wirtschaftlich und vom Erfolg her ist das alles nicht so klug gewesen, aber es war ehrlich! Es war echt! Das ist die eine Seite, als ich halt mal über das Ziel hinausgeschossen bin. Aber die grundsätzliche Geschichte wie das Satanistische und die Gewaltverherrlichung, dieser ganze dämonische Rotz, der da streckenweise abgeht ... Ich fahre zwar keinen Feldzug mehr dagegen. Muss es halt auch geben, letztendlich müssen sich die Leute selbst entscheiden, wofür sie leben wollen. Jeder Mensch hat ja beides in sich, Licht und Finsternis. Heute sehe ich das alles differenzierter, bin nicht mehr ganz so weihwasserspritzend unterwegs.“

Text: Chris Glaub

Pic: Franz Schepers

 

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